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Das Pommes-Prinzip

By Mainpoetin @Mainpoetin · On 16. August 2018

Oder: Warum Kulturkritik „Detroit: Become Human“ falsch bewertet.

Du sitzt am Restauranttisch, die Beine bequem gestreckt. Mit Sorgfalt knickst du die Karte und schiebst sie dem Kellner zu.
Einmal Pommes bitte, sagst du und reibst dir voll Vorfreude den Bauch. Du kannst es kaum abwarten, schließlich sollen die Fritten hier besonders gut schmecken!

Als der Typ eine viertel Stunde später wieder zu deinem Platz watschelt, balanciert er auf seiner Hand einen Teller randvoll mit, nun ja, länglichen Kartoffelsticks, kross frittiert, perfekt gesalzen und noch warm.
Was ist das?, willst du wissen.
Die Servicekraft glotzt dich mit großen Kellnerkugelaugen an.
Aber Sie wollten doch Pommes?, fragt er zögerlich.
Sicher, nölst du, aber mit solchen Kartoffeldingern habe ich nicht gerechnet!
Wutentbrannt springst du auf.
Beschweren willst du dich, lautstark, damit es möglichst viele hören.

Das Ding mit der Erwartung

Klingt absurd?

Nicht, wenn wir uns die Praxis von Kulturkritik anschauen.

Zum guten Journalistenton gehört, bei einer Veranstaltung nicht den Künstler an sich zu bewerten. Stattdessen gilt es, Tagesform, Show, Dramaturgie und Charisma an genau diesem Abend zu analysieren. Um mal im Bild zu bleiben: Es schickt sich nicht, die Pommes zu reklamieren, von denen man vorher wusste, dass man sie bekommen würde.
Relevant ist, wie die Pommes genau in diesem Moment schmecken.
Wie schlagen sich die Fritten im ultimativen Restaurantvergleich?
Warst du zuvor schon im gleichen Laden und sie waren wärmer, knackiger, frittiger?
Das darfst du bewerten, nicht die Pommes als Pommes an sich.

Immer noch absurd?

Okay, anders: Dürfen Kritiker etwas negativ herausstellen, obwohl sie wissen, auf was sie sich einlassen?

Darf ich in eine Ausstellung von Magritte gehen und schreiben, dass ich Magritte scheiße finde?
Eher nicht. Ich darf schreiben, dass die Hängung misslungen, die Ausleuchtung unglücklich, das Konzept der Schau missraten ist.
Sicher darf ich Magritte auch von Grund auf grauenvoll finden, aber dann verfasse ich einen subjektiven Artikel darüber, warum seine Werke überschätzt werden und verreiße nicht stattdessen anhand einer Schau eine Künstlerpersönlichkeit.

Leider gibt es genug – auch seriöse – Kritiker, die sich nicht an dieses Pommes-Prinzip halten. Aufregerbeispiel und Auslöser dieses Eintrags: Die Game-Kritik zu „Detroit: Become Human“ auf „Zeit Online“.

Dort moniert Matthias Kreienbrink, David Cages Roboter-Entscheidungs-Thriller würde „vergessen, ein Spiel zu sein“.

Wer Cage kauft, bekommt Cage

Wer sich mit dem französischen Gamedesigner auseinandergesetzt hat oder „Detroit“ als Episode in Cages Werkgeschichte betrachtet, kann über eine solche Bewertung bloß den Kopf schütteln.
Denn natürlich „vergisst“ Detroit, ein Spiel zu sein, weil minimalistisches Gameplay und reduzierte Interaktivität Cages persönliche Handschrift sind.
Wer ein Cage-Game kauft, weiß, dass ihn mehr Film als Spiel erwartet.
„Detroit“ vergisst nicht, es will.

Stil ist Geschmacksache, das gilt für Literatur wie für Kunst und Game. Gerade in Fällen, in denen die Autorenstimme besonders gesalzen ist.
Kaufe ich Thomas Mann, um mich über Thomas Mann aufzuregen? Nein.
Schaue ich Magritte, um mich über Magritte aufzuregen? Nein.
Spiele ich Cage, um mich über Cage aufzuregen? Nein.

Cage ist sich in „Detroit“ treu geblieben. Er hat es so gehalten, wie es auch Filmregisseure wie Tarantino oder Lynch tun, um ihre Einzigartigkeit in einer Branche der Klon-Kost zu bewahren.
Was an einem Titel wie „Detroit“ kritisiert werden sollte, ist nicht sein Stil. Sondern, wie dieser in Szene gesetzt und der Inhalt transportiert wird, den er umfließt.
Also: Wie ist das Genre „Interaktiver Film mit Entscheidungsnarration“ umgesetzt?
Wie clever ist die Handlung? Wie gut die Figuren? Wie verzweigt die Struktur? Schafft es das Game, dem Genre etwas Neues zuzufügen? Packt es emotional? Wie schneidet es im Vergleich zu ähnlichen Titeln ab, etwa zu „Until Dawn“? Oder: Wie verhält es sich zu Cages anderen Spielen?

Wenn ich Cage kaufe, bekomme ich Cage. Im besten Fall, weil ich Cage wollte.
Stil ist die Pommes der Popkultur. Liebe Kulturkritik, haltet euch endlich daran.

ComputerspieleDavid CageDetroit: Become HumanGamesJournalismusKulturkritikVideospiele
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Mainpoetin

Journalist. Fan. Auf der Suche nach den richtigen Worten.

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