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Elektroschrott, Games 0

Auf der Suche nach dem System

By Mainpoetin @Mainpoetin · On 27. August 2018

Oder: Warum ich noch immer keine Computerspielkritik veröffentlicht habe.

Hylo liebe Leser,
meckern kann jeder, besser machen nicht.

Seit meinem letzten Artikel („Das Pommes-Prinzip“), denke ich darüber nach, wie eine angemessene Kritik des David Cage Titels „Detroit: Become Human“ aussehen könnte.
Habe dreißig Mal angefangen und einunddreißig Mal gelöscht.
Der Grund: Meine Überlegungen führen mich wiederholt zum Kern der Computerspiel-, ja, der Kulturrezension.

Und Kerne kann man nicht öffnen, sonst wären‘s ja bloß Hüllen.

Also: Wie kann ich sinnvoll über Gegenstände urteilen, die zwar so viel gemein haben, dass sie unter einen Begriff fallen und doch so unterschiedlich sind, dass es unfair wäre, identische Maßstäbe anzulegen?

Kritik ist per se etwas Hochsubjektives. Rezensenten müssen und sollten sich herausnehmen, wütend, zornig, kontrovers zu sein.
Wir brauchen keine Nachsicht, wenn wir bewerten. Wir brauchen Halblügen, die wir aneinanderreiben können, bis was Wahres dabei herausfunkt. Schließlich lebt jeder von uns in seiner eigenen Welt, in der die Dinge so sind, wie sie eben für ihn sind. Unsere Erfahrungen, unsere Erziehung und unser Umfeld prägen unsere Geschmacksknospen.
Wir mögen‘s süßromantisch, salzdramatisch, bitterbanal.
Ein Großteil unseres Lebens verbringen wir mit Urteilen, wir sind in uns und an sich ein ständiges Bewertungssystem.
Der Mensch ist eine Kritikmaschine.

Die Lust am Vergleichen

Darüber hinaus haben wir es ziemlich gern, wenn uns andere sagen, wie wir etwas zu finden haben. Wir mögen es, wenn unsere Meinung bestätigt (Ich hab Ahnung!) wird. Oder widerlegt: Anderen Fachkompetenz abzusprechen, ist noch immer eine der unterhaltsamsten Formen der Schadenfreude. Ab und an überdenken wir uns ja auch, obwohl es schwerfällt.

Um Produkte besser vergleichen zu können, haben viele Magazine und Webseiten eine Punkte- oder Prozentwertung etabliert. Gerade, wenn es um Games geht.
Aber will ich das für trashbinich?
Denn eigentlich ist‘s ja absurd, kaum eine Seite für etwa Theaterkritik, würde auf die Idee kommen, die neuste Inszenierung von „Faust“ mit Nachkommastellen einzuordnen.
Dennoch hilft es offenbar, etwas Subjektives in so etwas Objektives wie Zahlen zu pressen.
Und sind wir ehrlich: Wir lieben sie, die Notenbewertung; als Leser und als Autor.
Wir sind Zahlenhuren und Prozentprostituierte.
Es ist wie eine kleine Rache an all denjenigen, die uns einen Stempel mit Genügend und Unbefriedigend aufgedrückt haben.
Jetzt dürfen wir ran, ran an den Rotstift und ran an das Zeugnis. Du bist gut, du bist schlecht, was zur Hölle hast du dir dabei, du dummes Spiel?
Aber wird ein so strenges System eigentlich dem gerecht, was wir bewerten wollen?
Und was bewerten wir überhaupt?

Die Lust am Auflisten

Schauen wir‘s uns mal an.
Die meisten Gamekritiker unterscheiden zwischen Pro/Contra und werfen mit Floskeln wie „gute Story“ und „schlechtes Gameplay“, bewerten Grafikschönheit, wenn das Spiel doch etwas ganz anderes will und setzen auf Offenheit, wenn das Produkt ein geschlossenes Kunstwerk sein will.
Sowieso: Allein die Trennung von Spiel/Interaktion auf der einen und Fiktion auf der andere Seite lässt mich zweifeln.
Hatten wir die Waffen dieses Krieges nicht schon lang begraben?
Andererseits: Was sind Alternativen? Bei einem Film unterscheiden wir schließlich auch in Kategorien, die sich als sinnvoll und zeitbeständig erwiesen haben und möglichst viel abdecken – und niemand beschwert sich.
Wie sind die Schauspieler? Wie das Drehbuch? Wie die Kamera, wie die Dialoge?

Ums übersichtlicher zu gestalten, ist die Zweiteilung von Play/Tell bei Games also vielleicht doch die sinnvollste, die wir haben. Denn wenn wir Spiele bis zum Kern zerlegen, bleibt eben das übrig, oder? Teilhaben und zusehen, erspielen und erleben.
Da fangen die Probleme aber erst an.
Denn was ist das überhaupt, eine gute Geschichte?
Eine, die uns überrascht?
Die uns zum Nachdenken anregt?
Eine möglichst klischeefreie oder eine, die uns emotional berührt, selbst, wenn ich von vornherein weiß, wo sie mit mir hin will?
Der Versuch einer Liste. Unvollständig. Vollständig. Wasweißdennich.

Narration

Charaktere
Protagonisten (Avatar und NPCs)
Antagonisten
Statisten
Können nicht auch Orte, Räume, Städte Protagonisten sein?

Spielwelt
Glaubwürdigkeit
Innovation/Klischeekiste
Offenheit und Geschlossenheit
Design
Logik

Erzählung
Hauptstory
Nebenstory
Gibt es eine Queststruktur?
Vorhersehbarkeit
Emotionales Potenzial
Humor
Moral/Philosophie
Logik
Wissen/Nicht-Wissen von Figuren und Spieler
Tod, Scheitern

Inszenierung

Kamera
Musik
Dialoge
Gegebenenfalls Schauspieler und Voice-Acting
Grafikqualität und – wichtiger – Grafikkonzept
Intertext

Was gibt es zu entdecken? Will ich es wieder und wieder erleben oder reicht einmal?

Gameplay

Wie kann ich interagieren?
Wie komfortabel ist das?
Wie frei bin ich, wie eingeschränkt?
Wie viel Spaß macht das, wie frustrierend kann es werden?
Über-, unter, fordert es mich?
Wie kann ich sterben, scheitern, siegen?
Ist was neu daran oder wie kreativ sind bekannte Fragmente zusammengesetzt?

Darüber hinaus

Was will das Spiel?
Was soll das Besondere daran sein?
Etwa: Will es Innovation im Gameplay? Schwierige Rätsel bieten? Ein Happen für Zwischendurch sein? Oder will es, wie bei Cage, einen neuen Maßstab hinsichtlich der Entscheidungsstruktur setzen?
Soll es unterhalten, aufrütteln, dem Kopf beim Ausschalten helfen?

Je nach Genre und Anspruch des Games bieten sich unendlich viele Kategorien an. Zum Beispiel: Interaktion mit Mitspielern bei, sagen wir mal, „Overwatch“: Balancing, Melden von Trollen, Wasauchimmer. Oder eben Entscheidungsmöglichkeiten: Was kann ich wählen? Kann ich Handlungen beeinflussen, die Art, wie ich spiele oder gar nichts? Wie groß ist das Dilemma, wie willkürlich die Alternativen? Wie verzweigt die Struktur? Wie sehr lügt das Spiel mich an? Wie gut gelingt ihm, mir diese Lügen als Wahrheit zu verkaufen?

Die Lust am Antwortfinden

Kategorien helfen beim, nun ja, Kategorisieren, beim Vergleichen.
Braucht es sie also zwangsläufig?
Oder würde es helfen, sich ganz vom Abwägen und Kontextualisieren zu verabschieden und einfach, nun, zu schreiben? Zu wettern, zu schreien, zu loben und ab und an ganz Fan zu sein?
Aber hat das dann Mehrwert für Leser, die nicht ich sind? Braucht es dafür nicht so etwas wie eine Struktur?

Zu viele Fragen, um schon eine Antwort zu finden. Mir bleibt die Ironie nicht verborgen, dass mir am Ende dieses Eintrags schon wieder nur das Meckern bleibt, nicht das Bessermachen. Denn fest steht: Die gängigen Systeme taugen nicht. Es ist schlicht zu einfach, zu rational, zu theoretisch, etwas so herrlich kompliziertes, herrlich emotionales und herrlich schwebendes wie Kultur zu mathematisieren. Das gilt besonders für das Dazwischenmedium des Games, das immer dazu verurteilt ist, nichts Halbes und nichts Ganzes zu sein. Halb-Interaktiv, halb-erzählend, halb-fremd, halb-ich. Games sind kein zugängliches Feld, sie sind ein wuchernder Wald.

Die Frage bleibt: Gibt es einen Zugang zur Kritik, der weniger zähmt? Einen, der Kunst an sich wild sein lässt? Eine sinnliche Form der Bewertung, eine rational-irrationale, eine, die dennoch das tut, was Kritik tun soll? Unterhalten. Meinung bilden. Spaß machen. Im letzten Sinn: helfen.

Ich bin offen für Vorschläge. Und suche weiter, weiter nach dem System. Oder vielmehr: nach einem Nicht-System.

BewertungComputerspieleDavid CageDetroit: Become HumanGamesJournalismusKulturkritikReviewVideospiele
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Mainpoetin

Journalist. Fan. Auf der Suche nach den richtigen Worten.

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